Die Fußstapfen des Opas treiben an. Tom Spitzley ist erst 16, doch blickt Stolz auf das, für das er jeden Tag alles gibt. Tom ist Winzerlehrling, doch das merkt man ihm nicht an.
Wir sind an einem Feiertag im Mai unterwegs. An die untere Mosel hat es uns heute wieder einmal gezogen. Genauer gesagt sind wir am Mittag beim Weingut Brachtendorf in Alken angemeldet. Wir parken das Auto auf dem breiten Parkplatz am Ortseingang und machen uns zu Fuß die letzten Meter zum Weingut auf. Alken ist ein kleiner Ort, deutlicher weniger als eintausend Menschen leben hier, viele jedoch seit Generationen. Der Ort ist vor allem durch die über dem Ort thronende Burg Thurant bekannt. Viele Ausflügler besuchen die Gemeinde wegen der historischen Mauern.
Auch die Kulisse an der Moselpromenade, an der auch die Straußwirtschaft des Weingut Brachtendorfs liegt, besticht durch romantische Bauten und erinnert an Zeiten, zu denen die naheliegende Bundesstraße 49 noch ein einfacher Feldweg gewesen sein dürfte. Angekommen an der Winzerstube, werden wir herzlich empfangen. Man verweist uns sofort an den Chef des Hauses, so wirkt es. Tom ist das. 16 Jahre alt, selbstbewusst und unerschrocken bietet er uns sofort einen Rundgang durch den Keller und das Weingut an.
Spritzen darf ich noch nicht, das muss dann Opa machen.
Tom Spitzley
Das Herz am rechten Fleck
Wir erleben schon in den ersten Minuten einen jungen Mann, der sich viel vorstellen kann und realistisch zu gleich ist. Tom hat eine klare Linie: Er möchte nicht jeden Trend, oder jede Modeerscheinung des Weinmarktes mitmachen. Ihn interessiert vor allem sein Weingut, das aktuell noch sein Großvater führt. Man spürt, Tom möchte um jeden Preis einen stolzen Opa erleben, dem er möglichst viel Arbeit und Verantwortung abnehmen darf. Darf, weil “der Opa dann doch mitmacht, obwohl er es eigentlich nicht mehr so soll”, sagt Tom mit einem Augenzwinkern.






Tom kauft man alles ab, was er sagt. Er wirkt pur, ehrlich und scheint den völligen Frieden mit sich und seinem Umfeld gefunden zu haben. Das mit 16. Zu dieser Zeit waren die Autoren dieses Textes schon mit der Wahl der Oberstufen-Kurse in der Schule überfordert. Die Geschicke eines Weinbetriebs neben der Berufsschule, neben allem anderen, was in diesem Alter anfällt, zu beeinflussen ist alles, aber nicht selbstverständlich. Dabei zeigt er keine Unsicherheiten, weder im Gespräch mit den wildfremden, fotoschießenden Menschen, die das Herz seines Betriebs infiltrieren, noch im Gespräch über seine Weine im Anschluss. Unaufgeregt. Cool.
Keine Selbstverständlichkeit
Wie das Leben eines Winzerlehrlings an der unteren Mosel aussieht, war uns vor unserem Besuch völlig klar: Aufstehen, 30 Minuten Weg in die Berufsschule, dann sechs Stunden Unterricht, Heimfahrt, etwas im Betrieb helfen, dann Freunde treffen.
Sieht doch etwas anders aus…
Tom tut das, was viele Erwachsene, die dafür mehrere Tausend Euro im Monat verdienen könnten, niemals machen würden. Keine 30 Minuten Weg, sondern bis zu vier Mal so lang, das natürlich selbst bezahlt. Und das gleiche zurück. Und dann den eigenen Betrieb organisieren. Und dann ist der Tag vorbei. Chillen mit Freunden? Fehlanzeige. Zeit für Hobbys, sich selber? Nicht drin.
Doch ist Tom nicht traurig darüber. “Das ist ja das, was ich gerne mache, dann habe ich da kein Problem mit”, sagt er lächelnd und in der Manier eines 70-Jährigen, der alles über die Welt zu wissen scheint. Er rettet mit seinem Engagement eine Art, die partiell vom Aussterben bedroht ist: Die Winzer*innen. Und das macht er mit voller Überzeugung und Leidenschaft.

Blick auf die Burg Thurant in Alken an der Mosel.
Passende Weine von der Mosel
“Da hat der Opa gesagt: ‘Das ist dein Wein'”
Eifrig ist der Junge, der uns seinen Keller zeigt. Das hat auch sein Großvater erkannt, wie wir aus einer kleinen Anekdote Toms erfahren. Während der Pflege eines Dornfelder-Weinbergs, die Tom übernahm und das anscheinend richtig gut, merkte sein Großvater an: “Das ist jetzt dein Wein”. Seither führt das Weingut einen Dornfelder mit dem Namen “Edition Tom”. “Da bin ich besonders stolz drauf!”, verrät Tom uns. Aus unserer Sicht völlig verständlich.
Ebenso froh ist er über die Kühlanlage, die in der lokalen Weinbau-Szene einzigartig sei. “Das läuft alles mit Magnetschaltern und Thermometern in den Tanks” erklärt uns Tom in dem Wissen, für kommende Lesen mit Sommertemperaturen gewappnet zu sein.

Zum anderen Grund unseres Besuchs: Dem Wein. Wir erhalten eine kleine Auswahl an Weinen, die uns Tom zusammengestellt hat. Unser Eindruck ist durchweg positiv. Besonders die Mittel und Möglichkeiten betrachtend, die der 16-Jährige und sein Großvater haben, unter welchen Umständen dieser Wein dann produziert wird, lassen uns staunen. Nicht jede*r schafft ein Produkt, das doch so gut ist, dessen Herkunft man schmeckt und spürt. Wir probieren Weine, die ausgewogen balanciert sind, gut trinkig sind und Spaß machen. Es sind natürlich nicht die völlig vielschichten, tiefgehenden, schweren Weine, die man aus dem Premium-Segment kennt. Es sind einfach Weine, die genau hierhin passen. Authentisch. So wie Tom.